27.7.1999 - Ein Weltrekord liegt in der Luft.
Wäre es nach meinem Vater gegangen, so würde ich heute vielleicht im Desy, Elektronen Synchroton Ring, sitzen und über die Geheimnisse von Atomen brüten. Statt dessen wurde ich Berufsfotograf und bei dieser abwechslungsreichen Tätigkeit habe ich zuallererst beobachten gelernt. In Zusammenarbeit mit einer Heimwerker Zeitschrift, wo ich ausreichend Gelegenheit hatte, mein handwerkliches Talent zu beweisen, stellte ich mein erstes Puzzle her. Der nette hölzerne Kinderzoo mit Elefant, Hund, Katze, Kamel und vielen anderen Tieren war nicht auf meinem Mist gewachsen, aber es hatte mächtig Spass gemacht die Tiere aus dem Holz herauszuarbeiten. Ein Geburtstag, der mich in arge Verlegenheit brachte ein passendes Geschenk zu finden, führte mich zu der inzwischen entbrannten Neugierde am Schnitzen zurück. Und so entsand ein prächtiges Geburtstags-Schweinepuzzle, sicherlich das ungewöhlichste Stück jener Schweinesammlung.
Wieder auf einer meiner Fotoreisen in Asien unterwegs, ereignete sich auf Bali ein äußerst unangenehmer Zwischenfall: Ein Auto fuhr mich an und fortan humpelte ich mit linken Gipsbein durch die Landschaft. Aus mit dem Fotografieren, Tauchen, Schwimmen, am Strand sitzen. Um meine wachsende Langweile zu beenden fuhr ich wieder ein wenig ins Inland und die eifrigen Holzschnitzer um Ubud brachten mich wieder auf das Thema: Tiere schnitzen.
Schnell waren Holz und Schnitzwerkzeuge besorgt, und ich begann meine ersten balinesischen Schnitzerfahrungen zu sammeln. Was lag näher als bei den mir vertrauten Tiermotiven zu bleiben.
Schon als kleiner Junge habe ich nur Tiere gezeichnet, mir unbekannte, einfach durchgepaust, dort wo andere Cowboys mit Pistolen oder Autos zeichneten. Ich setzte einen Entwurf, den ich noch zu Hause gemacht hatte, in einen stattlichen Zooentwurf mit 19 Tieren um. Nachdem ich mit einer Laubsäge die Tierrohlinge ausgeschnitten hatte, begann ich dann mit scharfer Klinge Span für Span abzutragen. Hin und wieder ein kritischer Blick auf das Erreichte und „Vergleiche“ mit dem im Kopf gespeicherten charakteristischen Tieraussehen. Zum Schluß eine frustrierende Schleifarbeit, die nur dadurch erträglich wurde, bald das fein geschliffene, handschmeichelnde Objekt in der Hand zu halten.
Das Ergebnis war durchaus vorzeigbar und erntete sogar auf Bali viel Beachtung. In diesem Stil wollte ich weitermachen und mich, wenn möglich, verbessern, das stand fest.
Immer noch schlecht beweglich durch meine „Gipsbeinhaft“ entwarf ich ein Walpuzzle. Es war mir während der ganzen Schnitzzeit durch den Kopf geschwommen und hatte schon weitgehend Formen angenommen. Mein Freund Ida Bagus half bei der Schnitzarbeit, denn ich wollte die Wale unbedingt fertig mit nach Hause nehmen. So entstand unser erstes deutsch – indonesisches Holzpuzzle.
Zu Beginn war es mir gar nicht aufgefallen wo der Zug hinging, doch nach dem Walpuzzle sah ich plötzlich klar. Ich hatte eine Form gefunden meinem Wunsch, Tieren mehr Schutz und die Achtung zu zollen, Ausdruck zu verleihen.
Wenn man ein Tierpuzzle wieder zusammen legen will, schaut man sich andauernd das einzelne Tier an und versucht herauszufinden, wo es hingehört.
Das Tier, so wie es geschnitzt ist, fühlt sich schön an und man mag es gerne in der Hand halten. Es schaut einen an und sagt „Hey ich bin auch noch da, zeig mir, wo ich hingehöre.“ Bei 19 Tieren wird diese Zwiesprache mindestens 19 mal wiederholt. Ja das fand ich gut und das war es, was mich so an dieser „Puzzle-Holzschnitzerarbeit“ begeisterte, was in mir immer neue Energie und Motivation schaffte, diesen Weg weiterzu gehen.
Durch betrübliche Berichte über die Tierwelt reifte in mir der Entschluss eine Arche Noah herzustellen. Inzwischen wieder auf Bali krizelte ich an meinen Pergamententwürfen herum. Aus der roten Liste der meist gefährdeten Tiere (Red list of most endangered animals, World Conservation Union) suchte ich mir etliche Landtiere heraus, die unbedingt in meine Arche kommen sollten. Das Ziel war auf wenig Raum so viele Tiere wie möglich unterzubringen. Sie sollten zwar stilisiert aber dennoch verhältnismäßig naturgetreu dargestellt sein.
Jetzt begann das wirkliche puzzlen, denn es galt die Tiere so zu verformen, daß möglichst wenig Luft zwischen ihnen übrig blieb. Mein Lieblingsholz, das Pulai, hatte ich ja schon für meine anderen Arbeiten entdeckt. Es ist ein schnell wachsendes, weiches Nutzholz, Pappel oder Weide ähnlich, das auf Bali vorwiegend zum Schnitzen „heiliger“ Tanzmasken verwendet wird. Bevor man einen Pulaibaum fällen darf, muß er in einer Zeremonie um Erlaubnis gebeten werden.
Da alle meine Tierpuzzles aus einem zusammenhängendem Stück Holz hergestellt sind, musste ich bei meiner Planung besonders umsichtig vorgehen. Wollte ich doch vermeiden, daß Tierbeine oder andere dünne, empfindliche Teile, in die falsche Holzrichtung angelegt, unweigerlich bei leichtem Druck abbrechen würden. Es gelang mir, die meisten der 88 Tiere in Wuchsrichtung der Maserung anzuordnen. Inzwischen hatte ich mir auch eine Dekupiersäge zugelegt, so daß die grobe Vorarbeit, das Herstellen der Rohlinge, recht zügig von der Hand ging.
Aber ich durfte mich nicht täuschen lassen. Zwar hatte ich seit meinen balinesischen Anfängen viel an Erfahrung hinzugewonnen aber, daß ich mir hier eine längere Freizeitbeschäftigung eingehandelt hatte war mir bald klar. Nach drei mühevollen Monaten, einigen Schnitzklingen, Blessuren und vielen Schwielen an den Fingern, Ida’s Hilfe eingeschlossen, war es geschafft.
Fast wie lebendig stand die kleine Truppe aus Sumatra-Nashorn, Berggorilla, Lederschildkröte, Weißadler, Lemuren und vielen vielen anderen vor mir, bereit die Arche zu besteigen und der kommenden Dinge auszuharren. Ich lag auf dem Bauch vor ihnen, spielte Noah und ermutigte sie, nun endlich ihren Platz einzunehmen. Selbst mit Hilfe meiner Zeichenunterlagen dauerte es am nächsten Tag lange, bis die Arche dann gefüllt war.
Das war im Mai 1995. Seitdem sind einige andere Tierpuzzles gefolgt: Katzen, Frösche, Gekkos und viele Einzelobjekte. Tiere wie Bären, Löwen, Nilpferde, Giraffen und Gorillas, die immer in dem Holzstück sitzen, aus dem sie herausgearbeitet waren. So lebt das Tier ein wenig in seiner natürlichen Umwelt und unterscheidet sich deutlich von anderen geschnitzten Einzelobjekten.
Natürlich bleibt es nicht aus, daß bei so vielem hölzernen Tierangagement Bewunderer auftauchen, die gerne das eine oder andere Schnitzobjekt besitzen möchten. Daher habe ich inzwischen in bewährter deutsch-indonesischer Zusammenarbeit von den meisten Motiven Kleinserien hergestellt. Aber dennoch bleibt jedes Stück ein Unikat, denn Holz ist halt immer verschieden und von meinem Pulaiholz habe ich noch keine zwei identischen Stücke gefunden.
Einfache Motive kosten so um €150 bis €800. Für die großen Tierpuzzlereliefs muß man allerdings schon tiefer in die Tasche greifen und manche Objekte sind schlicht unverkäuflich, etwa das Rhinozerosobjekt, das in seinem Inneren geschnitzt, die Leidensgeschichte dieses so stark dezimierten Tieres darstellt, aber auch etwa meine neueste Arche Noah. Natürlich ist sie größer und noch schöner als die oben erwähnte. Mit einer Länge von 1,5m ist sie vermutlich auch die allergrößte, die jemals aus einem Stück Holz hergestellt wurde. 71 Tierpaare aus allen Kontinenten teilen sich jetzt den knappen Platz und schlummern friedlich nebeneinander.